BAUTECHNIK

Innovative Fertigungsmethode im Bauwesen: Häuser aus dem 3D-Drucker sind die Realität – aber auch die Zukunft?

Text: Lisa Niederhaus | Foto (Header): © dottedyeti – stock.adobe.com

Das Marktpotenzial des 3D-Drucks ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen, sodass die neuartige Fertigungsmethode bereits in vielen Branchen Anwendung findet. Auch die eher traditionell geprägte und weniger digitalisierte Baubranche kann deutsche Leuchtturmprojekten vorweisen. Dieser Beitrag geht auf Grundlagen des 3D-Drucks im Bauwesen, Herausforderungen bei der Durchführung sowie zukünftige Potenziale ein.

Auszug aus:

Informationsdienst Bauleitung
Ausgabe April 2024
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Die nahezu uneingeschränkte Fertigung von komplexen Objekten sowie von individuellen und neuartigen Produkten wird erst durch den 3DDruck möglich. Je nach gewünschten Eigenschaften sind unterschiedliche generative Fertigungsverfahren auszuwählen. Dabei ist das Extrusionsverfahren eine der am häufigsten verwendeten Methoden und wird auch für den Druck von Immobilien angewendet. Hierbei wird das Material mit gleichmäßigem, maschinellem Druck aus der Öffnung gepresst und geschichtet.

Das Extrusionsverfahren ist auch als Fused Layer Modelling bekannt.

Für den 3D-Betondruck auf dem Bau wird ein schnellhärtender Frischbeton mit Zusatzbeschleuniger verwendet. Der Beton ist eine Spezialanfertigung und muss gewisse technologische, ökologische und rheologische Eigenschaften erfüllen. Zu diesen zählen insbesondere das Verformungs- und Fließverhalten, die Festigkeit und die Dauerhaftigkeit. Konkreter bedeutet dies, dass die Zementzusammensetzung nach hoher Standfestigkeit und schneller Härtung unmittelbar nach dem Druckvorgang ausgewählt wird. Nur so können die Anforderungen der notwendigen Statik erfüllt werden. Darüber hinaus müssen die Pumpbarkeit und Verbindung der einzelnen Schichten beim Druckprozess selbst gewährleistet sein, um beispielsweise gewisse Höhen der Hauswände zu erlangen.

Bei der Zementzusammensetzung CEM I 52,5 R (ft) handelt es sich um einen Normalbeton, welcher über eine hohe Gleichmäßigkeit, hohe Anfangsfestigkeit, hohe Druckfestigkeit und sehr hohe Frühfestigkeit verfügt und für Betonfertigteile sowie für den 3D-Betondruck geeignet ist.

Zudem sind externe Umwelteinflüsse, wie Temperaturschwankungen, und die Gewährleistung von Brandschutzauflagen, Statik, Schallschutz und Wärmedämmung gemäß GEG auch bei gedruckten Immobilien zu beachten bzw. einzuhalten. Grundsätzlich sieht der klassische Ablauf eines 3D-Drucks wie folgt aus: Zunächst wird ein dreidimensionales CAD-Modell, d. h. ein Entwurf, digital erstellt. Die Daten aus dieser Software werden dann in ein STL-Format konvertiert, und das Bauteil wird in Schichten aufgeteilt, das sog. Slicing, sodass der 3D-Drucker aus diesen ein Bauteil fertigen kann. Im nächsten Schritt folgt dann die reale Durchführung durch den 3D-Drucker, welcher das Material schichtweise aufträgt und so das entworfene Objekt, ohne den Gebrauch von Werkzeugen, aus dem Modell herstellt. Im Nachgang können die Oberflächen noch ausgebessert werden.

 

3D-Roboterarten am Bau

Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Fertigungsoptionen, die sich für diese Methode eignen. Ein Beispiel für den ersten Roboter ist der BOD2. Dieser stellt die Wände doppelwandig geschalt her, sodass anschließend manuell eine Dämmung und ggf. eine Armierung gemäß baurechtlichen Vorgaben eingesetzt werden kann. Der BOD2 ist ein Portalroboter, d. h., die Druckerkonstruktion ist um das Haus herum fixiert und die drehbare Druckdüse stellt von unten nach oben das Objekt her. Dabei lässt der Drucker entsprechende Öffnungen, beispielsweise für Leitungen, aus.

Bei der Fertigungsmethode CON-Print3D ist der Fertigungsort auch die Baustelle vor Ort. Das Verfahren dient zur Fertigung schalungsfreier Bauteile. Hierbei wird eine Autobetonpumpe durch einen für die Steuerung zuständigen Verteilermast, der sog. Roboterarm, und durch den Druckkopf erweitert. Es gibt auch Herstellungsweisen, die die einzelnen Bauteile in einer Produktionshalle dreidimensional vorfertigen und diese dann auf der Baustelle zu einem gesamten Objekt zusammenfügen. In diesem Fall fallen jedoch ein weiterer Transportaufwand an und eine insgesamt längere Herstellungszeit. Bei allen Ausführungsarten basiert die Steuerung auf einer BIM-Planung, die die Daten kodiert an den Drucker weiterleitet und so aus der Planung die Bewegung des Druckkopfs generiert.

 

Potenziale

Die dreidimensionale Druckinnovation ermöglicht eine individuelle Formgestaltung. So sind Rundungen ohne einen nennenswerten Mehraufwand z. B. bei Hauswänden möglich. In der konventionellen Fertigung wären hierfür aufwendige Schalungen anzufertigen, um klassische Ecken durch Rundungen zu ersetzen. Somit erhöht sich die Produktivität, d. h. in diesem Fall sowohl der zeitliche als auch der kostentechnische Aspekt, der additiven Fertigung mit Steigerung der Anforderungen und der Komplexität des Designs.

Die Produktivität kann auch dadurch erhöht werden, dass in der Theorie der lärmreduzierte 3D-Drucker pausenlos 24 Stunden am Tag drucken könnte.

Durch den 3D-Druck ergibt sich eine einzigartige Oberflächengestaltung. Diese Schichtoptik aus Beton ist ein besonderer Hingucker, sodass in Erwägung gezogen werden kann, auf das herkömmliche Verputzen der Innen- und/oder Außenwände zu verzichten (siehe bspw. Abb. 4).

Aufgrund der exakten Materialberechnung, basierend auf der bedarfsgerechten BIM-Ausführungsplanung, fällt durch die Druckmaschine kein überschüssiges Baumaterial an. Diese Effizienz ermöglicht eine geringere Abfallproduktion. Da die Baubranche Spitzenreiterin im Hinblick auf die Abfallproduktion in Deutschland ist, stellt dies ein ökologisches Potenzial dar.

Die Herstellungszeit einer dreidimensional hergestellten Immobilie ist um ein 18-Faches schneller als mit der konventionellen Mauerwerksbauweise. Dies wird erreicht, wenn zum einen die maximal mögliche Druckgeschwindigkeit von 3,6 m3 pro Stunde kalkuliert wird. Zum anderen müssen alle äußeren Einflüsse, wie z. B. Witterung, optimal sein, und das Team auf der Baustelle sollte bereits mit den Abläufen sehr gut vertraut und eingespielt sein. Gleichwohl ist an dieser Stelle zu bemerken, dass für diese Herstellungsart weniger Fachleute für den Bau benötigt werden. Zusätzlich zur reinen Druckzeit muss noch
die Auf- und Abbauzeit berücksichtigt werden, die bei dem Portalroboter jeweils bei vier bis acht Stunden liegt.

Eine Druckgeschwindigkeit von maximal 0,25 m/s wäre EU-Richtlinien-konform.

Ein weiteres Potenzial liegt in der BIM-basierten Planung. Dadurch sind die Voraussetzungen für eine maximale Produktivität, Effizienz sowie Fehlervermeidung gegeben.

 

Herausforderungen

So flexibel sich die Formgestaltung als Vorteil der Technologie darstellt, so eingeschränkt können 3D-Drucker jedoch auch hinsichtlich ihrer maximalen Druckhöhen und Drucklängen sein. Der zuvor vorgestellte Portalroboter beispielsweise ist in der Höhe beschränkt auf drei Vollgeschosse und auf eine maximale Grundfläche von 300 m².

Die Kosten sind ein weiterer Punkt. Der additive Bau eines Gebäudes wird nach derzeitigen Gegebenheiten teurer ausfallen als beispielsweise die konventionelle Mauerwerksbauweise. Die Synergien sowie die konstante Nachfrage, aus welcher auch tatsächlich Aufträge generiert werden, ist noch nicht wettbewerbsfähig und stellt sich als Nischenmarkt heraus.

Als eine der kritischsten Limitationen können Gesetze und Normen hinsichtlich der Baugenehmigung, der Bauausführung und der Gewährleistung eines Bauvorhabens gelten. Die Bauvorschriften sind traditionell geprägt und können aufgrund von 16 verschiedenen Landesbauordnungen diverse Unterschiede vorweisen, sodass beispielsweise neue Technologien, wie der 3D-Druck in Betonausführung, mit dem konservativen Genehmigungsprozess kollidieren. Bei den bislang in Deutschland genehmigten gedruckten Immobilien handelt es sich um aufwendige Einzelfallgenehmigungen.

Nicht außer Acht zu lassen ist die Natur der deutschen Bauindustrie. Diese ist äußerst traditionell und unterdurchschnittlich digitalisiert. Die Etablierung einer neuen, digitalen Bauweise bedarf eines umfassenden Schulungsaufwands vieler Handwerksbetriebe.

 

3D-Druck-Immobilien

Die Betondrucktechnologie befindet sich noch in den Anfängen der praktischen Anwendung. Gegenwärtig sind es wenige Immobilien, die mittels additiver Betonfertigung in Deutschland hergestellt wurden. Das erste gedruckte Haus befindet sich im nordrheinwestfälischem Beckum und wurde im Jahr 2021 gedruckt. Es ist ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit rund 160 m² Wohnfläche.

Im bayrischen Wallenhausen entstand ebenfalls im Jahr 2021 ein 380 m² großes Fünf-Familien-Haus (siehe Abb. 5). Mittels Portalroboter wurden rund 170 t Druckmaterial zur Herstellung der Wände, Schächte und Deckenrandschalung Schicht um Schicht aufgetragen. 18 m konnten in einer Minute gedruckt werden, sodass sich die gesamte Druckzeit auf insgesamt sechs Wochen belief. Alle anderen Arbeiten, wie z. B. die Herstellung des Kellergeschosses, Einfüllung der Dämmung und finale Elektroarbeiten wurden konventionell und manuell durchgeführt. Bei den Decken handelt es sich um Betonfertigteildecken.

Das jüngste 3D-Druck-Bauprojekt befindet sich in Heidelberg, Baden-Württemberg. Eine IT-Firma wird die Immobilie als Rechenzentrum nutzen.

In den Startlöchern steht bereits das nächste deutsche Projekt. Es soll sozialer Wohnraum in Form eines öffentlich geförderten 3D-Mehrfamilienhauses in Nordrhein-Westfalen gedruckt werden.

 

Zukunftsfähigkeit

Revolutionär und innovativ ist die 3D-Betondrucktechnologie. Jedoch stellt sich die additive Fertigung von Häusern noch als Nischenmarkt heraus. Die in Deutschland traditionell geprägte Baubranche reagiert in Form eines stagnierenden Wachstumspotenzials auf die Einführung der 3D-gefertigten Immobilien.

Es wird noch Zeit beanspruchen, um zum einen das Vertrauen der Bevölkerung und der Handwerksbetriebe zu gewinnen. Zum anderen bedarf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des digitalen Bauens eines noch weiteren Optimierungsansatzes, um den 3D-Betondruck auch als reale Alternative zum günstigen und schnellen Bauen zu erfassen. Die Etablierung eines hybriden Bauverfahrens, das die Vorzüge der konventionellen und der digitalen Fertigung vereint, wird zunächst realistisch sein.

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