Bautechnik

Lärmminderung durch Gebäudebegrünung

Text: Dr. G. Mann | Foto (Header): © ruangrit19 – fotolia.com

Dach- und Fassadenbegrünungen sind in aller Munde als eine der effektivsten Maßnahmen, dem Klimawandel und seinen Folgen (u. a. Überhitzung der Städte und Extremniederschläge) entgegenzuwirken. Begrünte Dächer, Fassaden und Wände vereinen viele positive Eigenschaften, u. a. sind dies Schallschutz und Lärmminderung.

Auszug aus:

Der Bauleiter
Ausgabe September 2019
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Diese unterschätzten Funktionen gehören zwar meist nicht zu den Top-Argumenten, jedoch gewinnen sie aufgrund der immer stärker wachsenden Städte und der damit einhergehenden Zunahme des Straßen- und Flugverkehrs immer mehr an Bedeutung. Mittlerweile sieht sich sogar die Politik in der Pflicht und hat im Koalitionsvertrag vereinbart, den Lärmschutz zu verbessern und auszuweiten und sieht dies als ein wichtiges Aufgabenfeld der Umweltpolitik.

Lärm verursacht nicht nur Belästigung und Unterbrechung des Schlafs, sondern auch Herzinfarkte, Lernstörungen und Tinnitus.

Maßnahmen zur Lärmminderung

Vereinfacht beschrieben gibt es drei Möglichkeiten des Lärmschutzes:

  • Lärm am Entstehungsort begrenzen
  • Abschirmung und Minderung der Schallausbreitung, beispielsweise durch Lärmschutzwände. Hier können begrünte Wände, Fassaden und Dächer zugeordnet werden.
  • passiver Schallschutz, beispielsweise durch Schallschutzfenster

Eine effektive Lärmminderung lässt sich am besten im Rahmen von Planungsprozessen gewährleisten. Bei der städtebaulichen Planung ist die Berücksichtigung des Schallschutzes Pflicht. Wird der Lärmschutz dabei nicht ausreichend beachtet, kann er nachträglich meist nur mit hohen Folgekosten erreicht werden. Bauwerksbegrünungen werden, ausgenommen begrünte Lärmschutzwände, i. d. R. aus anderen Gründen (ökologsicher Ausgleich, Regenrückhalt) eingesetzt. Dennoch können sie als Teil des Gesamt-Lärmschutzkonzepts Beachtung finden.

Unter Gebäudebegrünungen sind zu verstehen extensive und intensive Dachbegrünungen auf flachen  und geneigten Dächer und auf Tiefgaragen, boden- und wandgebundene Fassadenbegrünungen und Innenraumbegrünungen.

 

Dachbegrünungen

Wissenswertes zur Dachbegrünung:
Begrünbar sind Flachdächer und Schrägdächer. Es wird unterschieden zwischen Extensiv- und Intensivbegrünungen. Die extensiven Gründächer, etwa 83 % aller Dachbegrünungen in Deutschland, zeichnen sich durch eine geringe Aufbauhöhe (ca. 8–15 cm), geringes Gewicht (ca. 80–170 kg/m²) und eine trockenheitsverträgliche und pflegeleichte Vegetation (vergleichbar mit Steingarten und Magerwiesen) aus. Extensivbegrünungen werden nur zur Pflege ein- bis zweimal im Jahr begangen. Dagegen sind Intensivbegrünungen erweiterte Wohnräume (Dachgärten), auf denen ähnliche Pflanzen wachsen wie im ebenerdigen Garten.

Dementsprechend ist der Gründachaufbau höher (ab ca. 25 cm) und schwerer (ab ca. 300 kg/m²). Die Pflege gestaltet sich wie sonst im Garten je nach Pflanzenauswahl mehr oder weniger aufwendig. Intensiv begrünte Dächer gibt es i. d. R. nur auf Flachdächern, dagegen können Extensivbegrünungen auf Flachund Schrägdächern bis zu einer Dachneigung von etwa 40° gebaut werden. Jedoch sind ab 15° Dachneigung besondere Maßnahmen zur Rutschsicherung notwendig, damit das Gründach bei Starkregen nicht ins Rutschen kommt.

Kostenrichtwerte: Extensivbegrünungen gibt es je nach Schichtaufbau und Flächengröße schon ab etwa 25–30 Euro/m², begehbare Dachgärten liegen je nach Aufbauhöhe und Ausstattung bei etwa 60–150 Euro/m². Die jährlichen Pflegekosten liegen bei etwa 1–8 Euro/m².

Untersuchungen zur Lärmminderung:
Dachbegrünungen wirken grundsätzlich lärmmindernd über ihre Schallabsorption und die Minderung der Schallreflexion. Die Höhe der Schallabsorption ist abhängig vom Gründachaufbau (Materialeigenschaften und Masse vor allem von Vegetationstragschicht und Dränschicht), die Schallreflexion wird beeinflusst durch die Vegetationstragschicht und v. a. durch die Vegetationsstruktur und ihren Deckungsgrad. Eine Internetrecherche zu „Lärmminderung und Schallschutz Dachbegrünung“ hat zwar viele Treffer, jedoch fast nur einfache Aussagen ohne Quellenangaben ergeben. Oftmals wurden wie beispielsweise auf der Interseite der Stadt Oftersheim [1] die sinngemäß vielerorts gleichlautende Information vorgefunden: „Erhöhter Schallschutz. Gründächer mindern die Schallreflexion der Dachoberfläche um bis zu 3 dB und verbessern die Schalldämmung des Daches im Inneren des Gebäudes um bis zu 8 dB.“

Kolb [2] gibt für die Minderung des Reflexionsschalls Werte an von 2–12 dB(A). Für die Schallabsorption nennt er die Größenordnung von 3–46 dB(A). Interessant ist seine Kommentierung dazu: „… dass eine Verminderung von 3 dB(A) eine Reduktion der Schallenergie um 50 % bedeutet. Bei einer Minderung um 10 dB(A) reduziert sich die Schallenergie um 90 %, was etwa als Hälfte der Lautstärke empfunden wird.“

Linke [3] hat in seiner Masterarbeit „Gebäudebegrünung als Lärmschutzmaßnahme im innerstädtischen Raum – Welchen Beitrag können Dach- und Fassadenbegrünungen zum Lärmschutz leisten?“ verschiedene Untersuchungen zusammengetragen. So stellte Lagström [4] eine Reduzierung durch ein Gründach gegenüber einem unbegrünten Dach von 8 dB und mehr fest. Dächer in feuchtem Zustand hatten dabei eine höhere Lärmminderung. Connelly und Hodgson [5] untersuchten 17 verschiedene Dachbegrünungssysteme mit unterschiedlichen Eigenschaften (Substratdicke, Substratmaterial und Deckungsgrad) hinsichtlich ihres Absorptionsgrads und stellten dabei eine Bandbreite von 0,2–0,63 dB(A) fest.

Schrägdächer haben im Vergleich zu Flachdächern meistens eine höhere Lärmminderung. Untersuchungen im Rahmen des HOSANNA Projekts (Holistic and Sustainable Abatement of Noise by optimized combination of Natural and Artificial means) [6] haben gezeigt, dass begrünte Schrägdächer um einen Innenhof herum angeordnet und mit einer Substratschicht von 10 cm zu einer Lärmminderung von 8 dB(A) bezogen auf den Lärmpegel des Innenhofs führen können. Demgegenüber führten begrünte Flachdächer nur zu einer Pegelminderung von 2 dB(A).

Im Leitfaden zur Dachbegrünung von der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) der Freien und Hansestadt Hamburg [7] werden Werte angegeben für die Minderung des Umgebungslärms von bis zu 6 dB(A) und Reduktion des Lärmdurchgangs von 5–46 dB(A) durch Schallabsorption und Schalldiffusion der Dachbegrünung, abhängig von Frequenz (Hz), Verkehrsgeschwindigkeit, Begrünungsaufbau, Belaubungszustand, Substratfeuchte, Schichtenhöhe, Dachneigung und Lage [4, 8, 9, 10].

Einige Dachbegrünungssystemanbieter haben Produkt- und Systemlösungen im Programm, die trittschalldämmende Eigenschaften aufweisen, die den Körperschall bei Nutzung von Dachterrassen von bis zu 35 dB(A) mindern. Kernstück der Aufbauten sind i. d. R. Vliese – bei den Schalldämmmessungen werden allerdings Gesamtaufbauten für Dachterrassen geprüft.

 

Fassadenbegrünungen und begrünte Lärmschutzwände

Wissenswertes zur Fassadenbegrünung:
Fassadenbegrünungen lassen sich vereinfacht in zwei Hauptkategorien einteilen:

  • bodengebundene Begrünung
  • wandgebundene Begrünung

Bodengebundene Begrünung
Die traditionellen bodengebunden Begrünungen erfolgen an einer fertigen Außenwand je nach Klettermodus mit oder ohne Kletterhilfe. Sie sind im wesentlich dadurch charakterisiert, dass die verwendeten Pflanzen „Kletterpflanzen“ sind und eine direkte Verbindung zum gewachsenen Boden haben. Die „Kletterpflanzen“ sind Selbstklimmer oder benötigen geeignete dauerhafte Kletterhilfen. Die Wasser- und Nährstoffversorgung findet i. d. R. über natürliche Einträge statt. Eine regelmäßige fachgerechte Pflege ist notwendig, jedoch in geringerem Maße als bei wandgebundenen Begrünungssystemen.

Wandgebundene Begrünung
Wandgebundene Begrünungssysteme bilden i. d. R. die Fassade der Außenwand und ersetzen hier andere Materialien wie Glas, Faserzement, Metalle etc. Sie benötigen keinen Bodenanschluss und eignen sich daher besonders für innerstädtische Bereiche. Sie zeichnen sich durch sofortige Wirksamkeit, große Gestaltungsspielräume („vertikale Gärten“) sowie ein großes Spektrum verwendbarer Pflanzen aus. Die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen erfolgt über eine automatische Anlage. Der Aufwand für Pflege und Wartung ist von der Art der Gestaltung und dem verwendeten System abhängig; insgesamt aber höher als bei bodengebundenen Begrünungen. Die Konstruktion muss auf die Begrünung abgestimmt sein. Kostenrichtwerte: Bodengebundene Fassadenbegrünungen mit Kletterhilfen mit etwa 150–300 Euro/m², die wandgebundenen Begrünungen liegen je nach Flächengröße bei etwa 500–1.000 Euro/m². Die jährlichen Pflegekosten liegen bei etwa 10–25 Euro/m².

Untersuchungen zur Lärmminderung:
Im Vergleich zur Dachbegrünung gibt es deutlich mehr Berichte zu „Lärmminderung bei Fassadenbegrünungen“, allerdings wurden wie beim Dach fast alle (neueren) Untersuchungen im Ausland durchgeführt. Ähnlich wie bei der Dachbegrünung sieht auch die Internetrecherche bei der Fassadenbegrünung auf Lärmminderung und Schallschutz aus – oftmals ähnliche Aussagen ohne konkrete Werte. Auf der Internetseite der Stadt Pforzheim [11] ist beispielsweise zu finden:

„Lärmschutz. Durch den Wandbewuchs wird der auftreffende Schall gedämpft, die Schallreflexion an der Wand wird gemindert. Ein Lärmschutzeffekt um das Gebäude und im Innern wird damit wirksam.“ Und unter www.oekologisch-bauen.info [12] steht: „Lärmschutz: das Blattwerk einer Fassadenbegrünung ist ein effektiver Lärmschutz, da Schallwellen geschluckt und in einem deutlich geringeren Maße reflektiert werden als durch die glatte Hauswand. Dadurch ist eine Lärmminderung von bis zu 10 Dezibel erreichbar.“

In der Regel beziehen sich die Aussagen auf bodengebundene Fassadenbegrünungen, zu denen schon in früheren Jahren Untersuchungen durchgeführt wurden. Schlößer [13] beschreibt u. a. bei ihrer Bevölkerungsumfrage die Wirkungen bodengebundener Fassadenbegrünungen: „In vielen Veröffentlichungen wird betont, dass Fassadengrün einen Beitrag zum Lärmschutz leistet. Dabei soll der Lärmpegel durch Schallreflexion und -absorption des Blattwerks gedämpft werden. […] Der Schallminderung durch Fassadengrün werden Werte von 2–6 dB(A) zugeschrieben.“

Köhler und Milbrandt [14] führten an der Hochschule Neubrandenburg vergleichende Untersuchungen und Schallmessungen verschiedener wandgebundener Fassadenbegrünungssysteme und unbegrünter Holz-, Klinker- und Glasfassaden durch. Die Ergebnisse zeigten, dass die begrünten Fassaden im Durchschnitt eine Lärmminderung von etwa 5 dB(A) bewirkten.

In der Studie HOSANNA [6] kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass Fassadenbegrünungen vor allem in den mittleren und hohen Frequenzen zu einer Schallabsorption beitragen. Zur Veranschaulichung des Effekts der Vegetation wurde eine Berechnung für einen Straßenzug mit jeweils 19 m hohen Fassaden durchgeführt und eine straßenseitige Geräuschreduzierung von 2–3 dB(A) in einer Höhe von 1,5–4 m erzielt. Bei einer Teilbegrünung der Fassaden im unteren Bereich konnte eine Reduzierung um 2 dB(A) erreicht werden. Beim Vergleich eines Innenhofs mit vollständig begrünten Fassaden gegenüber unbegrünten Fassaden konnte eine Pegelreduzierung von 4 dB(A) innerhalb des Innenhofs festgestellt werden.

Eine vielfach praktizierte Maßnahme, um Straßenlärm zu mindern, ist der Einsatz von Vertikalbegrünungen bei Lärmschutzwänden. Neben den klassischen Lärmschutzwänden in unterschiedlichen Bauweisen, Befüllungen und Bepflanzungen, gibt es auch spezielle Systemlösungen. Diese sind flexibler, benötigen weniger Platz, sehen optisch ansprechend aus und werden schon begrünt eingebaut. Je nach Hersteller und Bauart werden Werte für die Schalldämmung von 24–31 dB(A) und für die Schallabsorption von 9 dB(A) erreicht.

 

Fazit

Gebäudebegrünungen leisten einen gewissen Beitrag zur Schallreduzierung. Die Lärmminderung und Schallreflexion ist abhängig von Frequenz (Hz), Begrünungsaufbau, Substratstärke und Belaubungszustand. Bei Pflanzen ist die Minderung stark von der Blätterdichte, der Blattfläche und -dicke sowie von der Blattstellung abhängig. Bei Dachbegrünungen sind aufgrund des hohen Massengewichts der Substratschicht besonders Intensivbegrünungen von Vorteil.

Nicht zu unterschätzen ist die durch Bepflanzung bewirkte optische Abschirmung und die dadurch hervorgerufene positive psychologische Wirkung auf die Betroffenen.

Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich und teilweise schon älteren Datums. Daher gibt es dringenden Bedarf an weiteren Forschungen und Systemoptimierungen.

 

Quellen

[1] www.oftersheim.de

[2] Kolb, W. (2016). Dachbegrünung. Planung, Ausführung, Pflege. Ulmer Verlag, Stuttgart

[3] Linke, T. (2017): Gebäudebegrünung als Lärmschutzmaßnahme im innerstädtischen Raum – Welchen Beitrag können Dach- und Fassadenbegrünungen zum Lärmschutz leisten? Masterarbeit, HafenCity Universität Hamburg

[4] Lagström, J. (2004): Do Extensive Green Roofs Reduce Noise? Malmö

[5] Conelly, M.; Hodgson, M. (2015): Experimental investigation of the sound absorption characteristics of vegetated roof. In: Build and Environment 92, (2015) 335–346

[6] HOSANNA – Holistic and Sustainable Abatement of Noise by optimized combinations of Natural and Artificial means (o. J.): NOVEL SOLUTIONS FOR QUIETER AND GREENER CITIES

[7] Pfoser, N., Dierks, F. (2017): Dachbegrünung. Leitfaden zur Planung. Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Umwelt und Energie (BUE)

[8] Connelly, M./Hodgson, M. (2008): Thermal and Acoustical Performance of Green Roofs. Sound Transmission Loss of Green Roofs. Baltimore

[9] Mann, G. (2000): Nutzen begrünter Dächer – eine Frage des Blickwinkels, Ditzingen

[10] Weber, M. (2011): Positive Wirkungen begrünter Dächer – Zusammenstellung positiver Fakten aus aller Welt. Diplomarbeit im Studiengang Landschaftsarchitektur. FH Erfurt, 2011

[11] www.pforzheim.de

[12] www.oekologisch-bauen.info/baustoffe/dach/fassadenbegruenung

[13] Schlößer, S. A. (2003): Zur Akzeptanz von Fassadenbegrünung: Meinungsbilder Kölner Bürger – eine Bevölkerungsbefragung, Köln

[14] Köhler, M., Milbrandt, F. (2012): Mit Living Walls zur Lärmreduktion. – Dach + Grün 1-2012 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2004): Wohlbefinden im Büro. Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Büroarbeit Congena Texte (2009): Grün arbeiten statt schwarz ärgern. Begrünungskonzepte in Büros Buchta, E./Hirsch, K.-W./Buchta, C. (1984): Lärmmindernde Wirkung von Bewuchs in Straßenschluchten und Höfen. Bonn Hornikx, M., Forssen, J. (2007): Improving the shield of road traffic noise in coun-tryards: absorption treatments

www.bmu.de/themen/luft-laerm-verkehr/laermschutz/laermschutz-im-ueberblick/was-ist-laerm/www.vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Publikationen/Bauen/_Staedtebauliche-Laermfibel.pdf

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