SICHERHEIT, GESUNDHEIT & UMWELT
Einbruchschutz: Moderne Lösungen für Fenster und Türen
Text: Dip.-Ing. Arch. Ingrid Kaiser | Foto (Header): © m.mphoto – stock.adobe.com
Einbruch ist eine Bedrohung, sowohl im privaten Wohnbereich als auch im gewerblichen Bereich. Schaden entsteht hierbei nicht nur durch die Entwendung wertvoller Güter – mit materiellem oder ideellem Wert –, sondern auch durch die Zerstörung der hierbei schwächsten äußeren Bauteile, den Fenstern und Türen, sowie auch durch mit einem Einbruch häufig verbundenen Vandalismus. Ein wirksamer Schutz ist für alle Nutzungsarten von Gebäuden sinnvoll.
Auszug aus:
Der Bauleiter
Ausgabe März 2023
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Klassische Sicherungsmöglichkeiten: Widerstandsklassen
Die Widerstandsklassen gemäß DIN EN 1627 berücksichtigen nicht nur die Widerstandsdauer gegen mechanische Einwirkungen, sondern auch die jeweiligen Täterprofile und Vorgehensweisen beim Einbruch. Ergänzt wird die Klassifizierung durch die Anforderungen an Schlösser bzw. Schließzylinder, Verglasungen und Beschläge.
Diesen Widerstandsklassen werden die entsprechenden Eigenschaften für Schlösser bzw. Schließzylinder, Verglasungen und Beschläge zugeordnet.
Für Wohngebäude empfehlen sich die Klassen RC2 bei verglasten Bauteilen bzw. RC2 N, bei höheren Risiken RC3. Die Klassen RC4 bis RC6 sind i. d. R. nur im gewerblichen Bereich bei entsprechendem Schutzbedarf erforderlich oder bei Luxus-Wohnimmobilien. Die Kosten steigen hier exponentiell mit jeder Klasse an, häufig sind Sonderkonstruktionen erforderlich.
Schlösser und Beschläge:
Einsteckschlösser nach DIN 18251 sollten als Zylinderschlösser mit mindestens dreifacher Befestigung (Klasse 3), mit Einbruchhemmung (Klasse 4) oder mit erhöhter Einbruchhemmung (Klasse 5) verwendet werden. Die Zylinder selbst sollten über einen Bohrschutz (BS) oder über einen Bohr- und Ziehschutz (BZ) verfügen.
Schutzbeschläge mit der Klasse ES 1 (einbruchhemmend) sind der Widerstandsklasse RC2, die der Klasse ES 2 (stark einbruchhemmend) der Klasse RC3 und die der Klasse ES 3 (extrem einbruchhemmend) der Klasse RC4 zugeordnet.
Bei Gebäude-Eingangstüren entspricht eine Zweifach-Verriegelung der Widerstandsklasse RC2, eine Fünffach-Verriegelung der Klasse RC3.
Verglasungen:
Verbund-Sicherheitsglas (VSG) besteht aus zwei oder mehr Glasscheiben, verbunden mit einer elastischen, reißfesten Polyvinylbutyral-Folie (PVB). Es soll in erster Linie Schnitt- und Stichverletzungen verhindern. Im Einbruchsfall erschwert es aber auch ein Durchdringen der Verglasung.
Rollläden und Gitter:
Auch Rollläden werden im Gesamtsystem in die RCKlassen eingeordnet. Die häufig eingebauten Behänge aus Kunststoff können zerschnitten werden. Dies wird verhindert durch verstärkende Füllungen aus Metall oder Aluminium. Materialien der Rollladenpanzer aus Holz oder insgesamt aus Metall haben ebenfalls eine höhere Schutzwirkung.
Die Führungsschienen müssen entsprechend stabil sein, damit die Panzer nicht einfach herausgezogen werden können.
Um das Hochschieben zu verhindern, verfügen neue Rollläden über eine Hochschiebesicherung; bei motorbetriebenen Rollläden verhindert der Motor das Hochschieben.
Fenstergitter gewährleisten ebenfalls Schutz, wenn sie entsprechend stabil und sicher sowie tief genug in den Wänden verankert sind.
Gitterrost- oder ähnliche Abdeckungen von Keller-Lichtschächten sollten mit Ketten, die möglichst weit unten im Schacht abschließbar verankert sind, gesichert werden.
Nachrüstung im Bestand:
Eine der einfachsten Möglichkeiten, nachzurüsten, ist der Austausch des Beschlags gegen einen mit Schloss. Kombiniert mit entsprechender Alarmierung (s. u.) wird die Sicherheit bereits maßgeblich erhöht.
Neue Fenster haben i. d. R. Pilzkopf-Verriegelungen, die gewährleisten, dass die Fensterflügel im geschlossenen Zustand fest mit dem Rahmen verbunden sind und daher schwerer ausgehebelt werden können. Diese Verriegelungen können auch nachträglich – zusammen mit entsprechenden Scharnieren – aufgeschraubt werden, wenn die Fenster ansonsten in einem guten Zustand sind, u. a. hinsichtlich des Wärmeschutzes.
Für Gebäude- und Wohnungseingangstüren können zusätzlich Querriegel-Schlösser eingebaut werden. Bei normaler Verglasung der Fenster kann nachträglich eine Sicherheitsfolie aufgebracht werden, die eine ähnliche, wenn auch geringere Wirkung hat als das Verbund-Sicherheitsglas.
Rollläden aus stabilen Materialien mit entsprechend robusten Führungsschienen können nachträglich mit Klemmsicherungen gegen Hochschieben ausgerüstet werden.
ACHTUNG
Bei Brandschutz-Türen dürfen nahezu keine nachträglichen Maßnahmen ergriffen werden, da ansonsten ihre Zulassung erlischt. Hier müssen entsprechende Multifunktionstüren eingebaut werden, die die Anforderungen an den Brandschutz und den Einbruchschutz erfüllen.
Technische Sicherungsmöglichkeiten
Elektrische, elektronische und digitale Anwendungen:
Bei diesen elektronischen Maßnahmen handelt es sich um einzelne, unabhängig voneinander arbeitende Sicherungsmaßnahmen.
Eine einfache Möglichkeit des Schutzes bietet eine Beleuchtung über Bewegungsmelder zur Abschreckung von Einbrechern.
Digitale Türschlösser werden per Chip-Karte, Eingabe eines Codes oder über Smartphones geschaltet. Da die Schlösser i. d. R. flächenbündig eingebaut sind, sind sie gut gegen Aufhebeln geschützt. Zugänge für bestimmte Personen, z. B. Reinigungspersonal, können für einen fest definierten Zeitraum programmiert werden.
Glasbruch-Melder werden in unterschiedliche Typen unterteilt. Aktive Glasbruch-Melder werden direkt auf der Verglasung angebracht und bestehen aus einem Ultraschall-Sender, der Schallwellen aussendet, und mindestens einem Ultraschall-Empfänger. Wird durch mechanischen Einfluss auf die Scheibe eine Veränderung der Schallwellen erkannt, wird Alarm auslöst. Aktive Glasbruch-Melder benötigen eine eigene Stromversorgung.
Ebenfalls auf der Verglasung angebracht werden passive Glasbruch-Melder. Auf Basis des Piezo-Effekts wird der Alarm durch die Körperschall-Wellen im Einbruchfall ausgelöst.
Akustische Glasbruch-Melder mit Mikrofon werden im Raum in der Nähe der Verglasung eingebaut und reagieren auf den Luftschall durch zerbrechendes Glas. Hierdurch können auch mehrere Fenster bzw. Glastüren in einem Raum überwacht werden. Allerdings kann es durch anderes im Raum zerbrechendes Glas zu Fehlalarmen kommen.
Alle genannten Glasbruch-Melder können nachgerüstet und mit einer Alarmanlage kombiniert werden.
Beim Neu-Einbau von Verglasungen kann Alarm-Glas eingebaut werden. Es besteht aus integrierten elektrischen Leitern. Bei Unterbrechung dieser Leiter durch Zerstörung des Glases wird der Alarm ausgelöst.
Fenstermelder geben ein Signal, wenn sie beispielsweise bei Abwesenheit der Nutzer geöffnet werden. Sie werden zwischen Fenstergriff und Flügelrahmen montiert und senden den Beschlag-Zustand (geschlossen, geöffnet oder gekippt) per Funk auf zugehörige Panels oder per App auf das Smartphone. Sie werden meist mit Batterien betrieben inkl. Alarm bei niedrigem Ladestand. Sie können relativ einfach nachgerüstet werden. Eine Zusatzfunktion ist die Meldung von Vibrationen am Fenster, die auf einen Einbruch hindeuten, allerdings auch bei Sturm ggf. aktiviert werden.
Vernetzte Anwendungen:
Während die digitalen Anwendungen nur für einzelne Bauteile eingesetzt werden, werden über smarte Anwendungen vernetzte Steuerungen und Meldungen für das gesamte Gebäude vorgenommen.
Über die Steuerung können aus der Ferne Fenster und Türen geöffnet oder geschlossen, das Licht im Innen- und Außenbereich ein- oder ausgeschaltet und Rollläden auf- und zugefahren werden. Dies dient in erster Linie der Anwesenheitssimulation als Präventionsmaßnahme.
In Verbindung mit Kameraanlagen werden bei Auffälligkeiten Warnungen und Aufnahmen per WLAN auf das Smartphone geschickt, sodass zeitnah die Polizei alarmiert werden kann.
Die Videoanlagen werden über das Stromnetz, Batterien oder Akkus betrieben.
Im Rahmen des Datenschutzes dürfen Videokameras nur so aufgestellt werden, dass sie den betreffenden Grundstücksbereich aufnehmen, nicht jedoch öffentliche Verkehrsflächen oder Nachbargrundstücke. Im gewerblichen Bereich ist zusätzlich der Datenschutz der Beschäftigten zu berücksichtigen.
Meldeanlagen:
Eigenständig oder in Verbindung mit vernetzten Anwendungen können Gefahren-Meldeanlagen (GWA) bzw. Einbruch-Meldeanlagen (EMA) oder Überfall-Meldeanlagen (ÜMA) installiert werden. Über ein entsprechendes Signal wird akustischer und/oder optischer Alarm gegeben, der abschreckende Wirkung hat. Zusätzlich kann ein sogenannter „stiller Alarm“ gegeben werden, d. h., es erfolgt die Alarmierung einer „Hilfe leistenden Stelle“, i. d. R. der Polizei. Auch die Überwachung mittels Videokamera kann in das Alarmierungssystem integriert werden.
ACHTUNG
Werden die Alarmanlagen nicht durch ein zertifiziertes Fachunternehmen und/oder mit nicht zugelassenen Komponenten eingebaut und es kommt zu einem Fehlalarm, müssen die Eigentümer für die jeweiligen Polizeieinsätze aufkommen.
Fazit
Sowohl Polizei als auch Gebäudeversicherer sehen den klassischen, mechanischen Einbruchschutz als vorrangig an. Hierdurch wird ein Einbruch im aktuellen Fall verhindert oder mindestens erschwert.
Hierbei muss jedes Bauteil – Fenster, Fenstertüren, Kellerfenster, Gebäudeeingangstüren – in seiner Gesamtheit betrachtet und die entsprechenden Ausführungsmerkmale in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt sowie die sach- und fachgerechte Umsetzung bei der Ausführung entsprechend überwacht werden.
Die ergänzenden technischen Maßnahmen müssen bereits in der Planung im Kontext der beteiligten Gewerke terminlich und ablauftechnisch abgestimmt und in der Ausführung umgesetzt werden.
Bei allen technischen Maßnahmen müssen vom Auftragnehmer u. a. folgende Leistungen erbracht werden:
■ Anlagen- und Funktionsbeschreibung
■ Ausführungspläne mit allen eingesetzten Komponenten
■ Messprotokolle der Erstabnahme
■ Für die Inbetriebnahme sind u. a. erforderlich:
■ Prüfung der Betriebsfähigkeit
■ Einregulierung der Anlage
■ Einweisung des Anlagenverantwortlichen inkl. Dokumentation
■ Bedienungs- und Wartungsanleitungen
HINWEIS
Ist im Werkvertrag die VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart, beträgt gemäß VOB/B § 13 Abs. 4 Abschnitt 2 die Verjährungsfrist der Gewährleistung für elektrische und elektrotechnische Anlagen zwei Jahre. Wird der Auftragnehmer für die Dauer der Verjährungsfrist mit der Wartung der von ihm errichteten Anlage beauftragt, jedoch vier Jahre.
Wichtige Normen und Richtlinien:
ATV DIN 18355:2019 Tischlerarbeiten
ATV DIN 18357:2019 Beschlagarbeiten
ATV DIN 18358:2019 Rollladenarbeiten
ATV DIN 18360:2019 Metallbauarbeiten
ATV DIN 18361:2019 Verglasungsarbeiten
ATV DIN 18382:2019 Elektro-, Sicherheits- und Informationstechnische Anlagen
DIN EN 356:2000-02 Glas im Bauwesen – Sicherheitssonderverglasung – Prüfverfahren und Klassenein teilung des Widerstandes gegen manuellen Angriff
DIN EN 1063:2000-01 Glas im Bauwesen – Sicherheitssonderverglasung – Prüfverfahren und Klasseneinteilung für den Widerstand gegen Beschuss
DIN EN 1627:2021-11 Türen, Fenster, Vorhangfassaden, Gitterelemente und Abschlüsse – Einbruchhemmung – Anforderungen und Klassifizierung
DIN EN 13541:2012-06 Glas im Bauwesen – Sicherheitssonderverglasung – Prüfverfahren und Klasseneinteilung des Widerstandes gegen Sprengwirkung
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