BAURECHT

Pflichten der Bauüberwachung bei der Nachtragsprüfung: Fokus auf die Rechnungsprüfung

Text: Guido Sandmann | Foto (Header): © Vittaya_25 – stock.adobe.com

Bei der Prüfung von Nachträgen der ausführenden Unternehmen spielen zwei Leistungspflichten der Bauüberwachung eine wesentliche Rolle. Zum einen muss die Überwachung und Koordinierung der vertraglich vereinbarten Bauleistung unter Einbeziehung der durch die Nachtragsleistung verursachten Änderungen erfolgen. Zum anderen geht es um die ordnungsgemäße Rechnungsprüfung der Vertragsleistungen, zu denen auch die Prüfung der Abrechnung von einseitig angeordneten oder vertraglich vereinbarten Nachtragsleistungen gehört.

Auszug aus:

Informationsdienst Bauleitung
Ausgabe Juli 2024
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Dabei spielt es keine Rolle, ob die Grundleistungen der Leistungsphase 8 Anlage 10 HOAI im Vertrag ausdrücklich als zu erbringende Leistung einbezogen werden oder nicht. Die Bauüberwachung schuldet als Kernleistung immer die Koordinierung der Ausführung und die Überwachung der Leistungen, die der AG mit all seinen Baufirmen und Handwerkern vereinbart hat.

Damit gehören die Überwachung und Koordinierung von Nachtragsleistungen automatisch mit zum Leistungsumfang der Bauüberwachung, wenn der AG diese geänderten oder zusätzlichen Leistungen nach § 1 Abs. 3 oder § 1 Abs. 4 VOB/B bzw. § 650b Abs. 2 BGB wirksam angeordnet hat oder der AG mit dem Bauunternehmer eine Nachtragsvereinbarung über die Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistungen trifft. Sowohl aufgrund der einseitigen Anordnung als auch der Nachtragsvereinbarung wird diese Nachtragsleistung Teil der Vertragsleistung. Die Überprüfung der Richtigkeit und Fälligkeit von Abschlagsrechnungen und der Schlussrechnung ist die andere Kernaufgabe, die jeder Bauüberwacher gegenüber seinem AG erbringen muss.

Wenn sich der Leistungsumfang der Unternehmen durch die einseitige Anordnung oder eine einvernehmliche Nachtragsvereinbarung ändert, gehört die Überprüfung jeder Abschlagsrechnung bzw. der Schlussrechnung, in der auch Nachtragsleistungen mit abgerechnet werden, automatisch mit zum Leistungsumfang der Bauüberwachung.

Ob die Leistungspflicht des Architekten, des Ingenieurs oder des Fachplaners als Bauüberwachung bei der Prüfung von Nachträgen auch eine rechtliche Prüfung umfasst, wird seit Längerem diskutiert.

Nach einer Meinung sollte der Bauüberwacher aufgrund seiner Fachkenntnis für den AG Nachtragsangebote bzw. die Abrechnung von Nachtragsleistungen vollumfänglich prüfen. Neben der Prüfung der Massen, der Preise sowie des Leistungsstands sollte er überprüfen, ob eine Nachtragsleistung nach den vertraglichen und rechtlichen Vorgaben vorliegt oder nicht. Die Gegenmeinung beschränkt die Verpflichtungen des Planers bei Nachträgen auf die Rechnungsprüfung, also die Kontrolle der Massenermittlung, der richtigen Ermittlung der Nachtragspreise und des richtigen Leistungsstands.

 

Grundleistung in der LPH 8, Anlage 10 HOAI

Nach der Grundleistung 8g der Anlage 10 ist die Rechnungsprüfung einschließlich der Prüfung der Aufmaße der ausführenden Unternehmen von der Bauüberwachung zu erbringen. Die Rechnungsprüfung im Interesse des AG dient der Kostenkontrolle und der Sicherstellung der angemessenen Vergütung der Bauunternehmen nach den jeweiligen Bauverträgen.

Der Bauüberwacher muss die Richtigkeit und die Angemessenheit der Rechnungsstellung überprüfen. Er sollte insbesondere darauf achten, dass keine Zahlung an den Unternehmer erfolgt, die noch nicht fällig ist. Weiter muss er darauf achten, dass keine Leistungen bezahlt werden, zumindest nicht in voller Höhe, wenn die Leistungen Mängel aufweisen oder Restleistungen noch nicht erbracht sind. Der AG soll keinesfalls mehr zahlen, als der Bauunternehmer tatsächlich als Leistung auf der Baustelle erbracht hat.

Vorgehen Rechnungsprüfung

Damit ergeben sich einige Prüfungsschritte für die Prüfung von Rechnungen, die die Bauüberwachung beachten sollte:

  • Jede Rechnung ist auf die sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen.
  • Nicht vollständig erbrachte, aber abgerechnete Leistungen sind angemessen zu kürzen.
  • Bekannte Mängel der Leistung sind bei der Rechnungsprüfung zu berücksichtigen, indem das Doppelte der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten von dem ermittelten Zahlungsanspruch abgezogen wird.
  • Der Abzug bereits geleisteter Abschlagszahlungen vom ermittelten Zahlungsanspruch ist in der tatsächlich geleisteten Höhe zu berücksichtigen.
  • Mögliche Rückzahlungsansprüche des AG aus früheren Zahlungen sind durch einen Abzug zu berücksichtigen.
  • Die vertraglich vereinbarten Kostenbeteiligungen für Strom, Wasser, Gerüst- oder Kranbenutzung etc. sind anteilig von dem festgestellten Rechnungsbetrag abzuziehen.
  • Die genaue Fälligkeit des ermittelten Zahlungsanspruchs aufgrund der vertraglichen Regelungen, der Regelungen der VOB/B oder des BGB ist zu prüfen.
  • Eine vertragliche Skontovereinbarung ist zu beachten. Deshalb besteht die Pflicht, jede Rechnung so zügig zu prüfen, dass der AG in der Lage ist, eine Zahlung innerhalb einer mit dem ausführenden Unternehmen vereinbarten Zahlungsfrist leisten zu können. Nur dann kann der AG auch sicher einen Skontoabzug vornehmen.

Rügen

Zur sachlichen Prüfung gehört die Überprüfung der Aufmaße und sonstiger Nachweise, aus denen sich die Berechtigung des behaupteten Zahlungsanspruchs ergibt. Fehlende Nachweise, insbesondere unvollständige Aufmaße, sind unverzüglich gegenüber dem ausführenden Unternehmer zu rügen. Ohne Nachweise ist die Rechnung insgesamt oder zumindest in Teilen nicht prüfbar.

Die Rüge muss so klar und konkret sein, dass der Unternehmer weiß, welche Unterlagen zur Prüfung nachzureichen sind bzw. aus welchen Gründen eine Prüfbarkeit der jeweiligen Rechnungsposition nicht erfolgen kann. Keinesfalls darf eine Rechnung pauschal als nicht prüffähig zurückgewiesen werden. Die Rüge der fehlenden Prüffähigkeit ist zu dokumentieren. Sie sollte also mindestens per Mail, besser über den Projektserver erfolgen. Mündliche Rügen sind in der Praxis kaum beweisbar.

Hinweise und Dokumentation
Die Bauüberwachung muss ihren AG auch darauf hinweisen, dass kein Anspruch mehr auf Zahlung einer Abschlagsrechnung besteht, wenn die Schlussrechnungsreife vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Bauleistung bereits so weit erbracht ist, dass der Unternehmer eigentlich die Abnahme verlangen könnte. In der Praxis wird oft noch kurz vor dem Abnahmeverlangen eine Abschlagsrechnung gestellt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Stellung einer Abschlagsrechnung meistens rechtlich unzulässig.

Der Bauüberwacher sollte sich von seinem AG in Textform darüber informieren lassen, welche Dokumentationspflichten bei der Rechnungsprüfung und Zahlungsfreigabe gegenüber Dritten, insbesondere einer finanzierenden Bank oder Fördermittel- und Zuschussgebern, bestehen.

Die entsprechenden Vorgaben sind von der Bauüberwachung zwingend zu beachten. Eine fehlerhafte oder verspätete Dokumentation gerade im Fördermittelbereich führt oft zur Haftung, wenn der AG dann Zuschüsse nicht erhält oder zurückzahlen muss.

Nach der Grundleistung 8h der Anlage 10 muss ein Vergleich der Ergebnisse der Rechnungsprüfungen mit den Auftragssummen einschließlich Nachträgen erfolgen. Eine eigene Prüfungsleistung der Bauüberwacher im Rahmen der Rechnungsprüfung ergibt sich hieraus nicht. Vielmehr soll durch eine entsprechende Übersicht/Gegenüberstellung der AG schnell und einfach einen Überblick über eine mögliche Kostenentwicklung erhalten.

Insgesamt betrachtet, folgt die Prüfung der Hauptleistung und auch der Nachtragsleistungen in den Abschlags- wie der Schlussrechnung denselben Regeln, da angeordnete oder vereinbarte Nachtragsleistungen zur Hauptleistung werden. Nachträge sind nach der im Vertrag vereinbarten Hauptleistung möglichst in der Reihenfolge zu prüfen, wie sie beauftragt wurden. Ihr Prüfergebnis wird Teil des Gesamtrechnungsergebnisses.

 

Preisgleitklauseln

Auch die Prüfung von Rechnungspositionen, deren Einheitspreis aufgrund einer Preisgleitklausel vom Unternehmer neu berechnet wurde, gehört zur Rechnungsprüfung.

Allerdings handelt es sich hierbei um eine Besondere Leistung, die die Bauüberwachung zusätzlich abrechnen kann.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HOAI sind Grundleistungen nur solche Leistungen, die der Planer regelmäßig auszuführen hat. Die Vereinbarung von Preisgleitklauseln ist aber nicht der Normalfall, sondern eine absolute Ausnahme. Grundsätzlich sind alle Preise Festpreise. Nur ganz ausnahmsweise vereinbaren die Bauvertragsparteien eine Preisgleitung, um außergewöhnlichen Umständen Rechnung zu tragen.

Daher ist auch die Prüfung der richtigen Berechnung der Preisgleitung und deren Ansatz in der Rechnung zwar eine Prüfungsaufgabe, aber eben eine außergewöhnliche, und damit eine Leistung, die der Planer besonders berechnen darf.

 

Die rechtliche Beratung der Bauüberwachung im Zusammenhang mit Nachträgen

Die Frage, inwieweit die Bauüberwachung insbesondere aufgrund der Verpflichtung, Rechnungen zu prüfen, die Nachtragsleistungen zum Inhalt haben, auch die Verpflichtung hat, rechtlich zu prüfen, ob ein Nachtrag berechtigt ist oder nicht, war lange Zeit streitig.

Der BGH hat nun mit Urteil vom 09.11.2023, VII ZR 190/22, entschieden, dass es keine vertragliche Leistungspflicht des Bauüberwachers gibt, Nachträge in rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Der BGH geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht in einer Rechtsberatung durch den Bauüberwacher grundsätzlich einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.

Die Leistungspflicht des Bauüberwachers umfasst keine Prüfung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit Nachtragsleistungen. Er muss nicht prüfen, ob überhaupt eine Nachtragsleistung vorliegt oder ob eine Nachtragsleistung ordnungsgemäß angeboten oder beauftragt wurde.

Er muss prüfen, ob die abgerechneten Nachtragsleistungen tatsächlich im behaupteten Umfang erbracht sind, ob sie mangelfrei erbracht sind, ob die Abrechnung prüffähig ist etc. Sein Prüfungsumfang für Rechnungen, in denen Nachtragsleistungen abgerechnet werden, folgt also demselben Schema wie eine Prüfung der Abrechnung von Vertragsleistungen.

Der Bauüberwacher ist verpflichtet nur Leistungen zu prüfen, die beauftragt sind. Dazu gehört die Hauptleistung sowie vertraglich vereinbarte oder wirksam einseitig angeordnete Nachträge. Rechnet der AN Leistungen ab, die nicht beauftragt sind, sind diese zu streichen. Streiten sich AG und AN, ob Leistungen beauftragt sind oder nicht, ist es nicht Aufgabe der Bauüberwachung zu klären, ob diese Leistungen abgerechnet werden dürfen. Hierzu muss der AG eine klare Aussage machen. Daher sollte der Bauüberwacher den AG bereits vor Beginn der Ausführung strittiger Leistungen darauf hinweisen, mit dem Unternehmer rechtzeitig zu klären, ob die Leistungen beauftragt sind. Werden Leistungen unter Vorbehalt der Klärung, ob überhaupt ein Nachtrag vorliegt beauftragt, muss der Bauüberwacher vor der Prüfung mit dem AG klären, ob er diese Leistungen bei der Rechnungsprüfung inhaltlich prüfen soll. Leistungen ohne Auftrag werden im Rahmen der Rechnungsprüfung in vollem Umfang nicht anerkannt.

Im schlimmsten Fall kann der Unternehmer wegen einer nicht gezahlten Rechnung seine Leistung einstellen, wenn er der Auffassung ist, es gäbe eine Nachtragsbeauftragung. Ob dies der Fall ist oder nicht, muss ausschließlich der AG ggf. mit Einschaltung einer Anwaltskanzlei klären. Die Bauüberwachung muss nur die rechtlichen Vorgaben der VOB/B und des Bauvertragsrechts kennen. Sie muss nicht im konkreten Einzelfall klären, ob diese Voraussetzungen vorliegen oder nicht.

Entsprechend hat auch das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 02.03.2023, 21 U 69/21, entschieden, dass es außerhalb der Prüfungspflicht des Architekten liegt, ob nach einer Vertragsauslegung ein Nachtrag vorliegt, der einen Mehrvergütungsanspruch rechtfertigt und ob die übrigen rechtlichen Voraussetzungen für einen Mehrvergütungsanspruch vorliegen. Die Bauüberwachung muss allein das Zahlenwerk prüfen, nicht das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für einen Nachtragsanspruch des Unternehmers.

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