BAURECHT

Fremdverschuldete Unfälle: Kostenfaktor Arbeitsunfähigkeit

Text: Thomas Schneider | Foto (Header): © pla2na – stock.adobe.com

Ein wesentlicher Kostenblock von Bauunternehmen sind die Personalkosten. Fällt ein Mitarbeiter aus, fallen aufgrund der Lohnfortzahlung unverändert Kosten an. Die anstrengende, körperliche Tätigkeit führt durchaus zu Situationen, in denen der sprichwörtliche „Schreibtischtäter“ noch arbeiten kann, der Mitarbeiter eines Bauunternehmens hingegen arbeitsunfähig ist.

Auszug aus:

Informationsdienst Bauleitung
Ausgabe Juli 2025
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Die Kosten der Lohnfortzahlung

Fällt ein AN aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit aus, ist nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) der AG verpflichtet, dem Betroffenen den Lohn für bis zu 6 Wochen weiterzuzahlen. Für die Leistung wird vorausgesetzt, dass der AN seine Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verursacht hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) und das Arbeitsverhältnis mindestens 4 Wochen ununterbrochen bestand (§ 3 Abs. 3 EFZG).

Dass damit für ein Bauunternehmen nicht unerhebliche Kosten verbunden sind, ist offensichtlich, aber unvermeidbar.

Bei Lohnnebenkosten von aktuell ca. 28 % wären bei einem Mitarbeiter, der monatlich 2.000 Euro verdient, für einen Zeitraum von 6 Wochen über 3.544 Euro Lohnfortzahlung fällig, wobei Urlaubsansprüche und zusätzliche Leistungen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, nicht berücksichtigt sind. Die beispielhafte Berechnung verdeutlicht, dass es sich hierbei nicht um „Peanuts“ handelt.

Bei Unfällen des Mitarbeiters besteht für ein Bauunternehmen die Möglichkeit, dass diese Kosten durch den Dritten, der die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters verursacht hat, getragen werden.

 

Schuldhaftes Verhalten des ANs

Unfälle geschehen kaum zufällig – in den meisten Fällen beging einer der Beteiligten einen Fehler. Ein schuldhaftes Verhalten liegt nach Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 18.03.2015, Az. 10 AZR 99/14, Rn. 13) vor, wenn „[…] der AN in einem erheblichen Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem Interesse zu erwartende Verhalten verstößt […]“.

Bei der Ausübung gefährlicher Sportarten ist ein Verschulden des ANs nicht immer auf den ersten Blick festzustellen. Ein Verschulden des ANs liegt nach BAG (Urt. v. 07.10.1981, Az. 5 AZR 338/79; BAG AP Nr. 45 zu § 1 LohnFG) vor, wenn sich „[…] der AN in einer seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise sportlich betätigt […]“ oder wenn gegen die Regeln der jeweiligen Sportart in besonders grober Weise und leichtsinnig verstoßen wird (BAG, Urt. v. 07.10.1981, Az. 5 AZR 338/79; BAG AP Nr. 45 zu § 1 LohnFG).

Zu solchen Sportarten gehören u. a. Kickboxen und Bungeespringen, wogegen Fallschirmspringen, Fußballspielen, Motorradrennen und Karate als ungefährlich eingestuft werden (BAG, Urt. v. 21.01.1976, Az. 5 AZR 593/74).

Wird dem AN ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen, kann ggf. auf die Lohnfortzahlung anteilig oder gänzlich verzichtet werden.

 

Regressansprüche bei Fremdverschulden

Die meisten Menschen sind im Laufe ihres Lebens zumindest einmal in einem Unfall verwickelt, oftmals im Straßenverkehr. Auch wenn die Sicherheit der Fahrzeuge zugenommen hat, gibt es auch gegenteilige Entwicklungen, wie bspw. vermehrte Unfälle mit E-Bikes.

Erleidet ihr AN aufgrund eines nicht von ihm verschuldeten Unfalls eine Arbeitsunfähigkeit, stehen dem AG Regressansprüche zu.

Dieser wird nicht aus der Pflicht entlassen, dem verletzten AN den Lohn weiterzuzahlen (§ 3 EFZG), ihm steht jedoch bei der Haftung eines Dritten Schadensersatz zu (§ 6 EFZG).

Nach einem Verkehrsunfall mit Personenschäden erfolgt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Verfahren eingestellt wird, wenn es sich lediglich um eine geringe Pflichtverletzung handelt und dem Täter keine Vorstrafen angelastet werden.

Vieles kann direkt mit der Versicherung des Verursachers geklärt werden. Liegen alle notwendigen Beweise vor, kann die Versicherung des Verursachers herangezogen werden. Die Versicherung wird aufgefordert, für die Lohnfortzahlung des arbeitsunfähigen ANs aufzukommen.

Sollte sich die Versicherung weigern, die Lohnfortzahlung zu übernehmen, kann eine gerichtliche Durchsetzung erfolgen. Die Kosten für den Rechtsanwalt zahlt der Schädiger. Während der Verhandlung muss der Geschädigte seine Verletzung, die Schuld des Schädigers sowie die Kausalität detailliert vortragen.

Bei Verkehrsunfällen erfolgt häufig eine Schuldverteilung auf die Beteiligten. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Situation:

AN A fährt abends mit einem unbeleuchteten Fahrrad vom Einsatzort nach Hause (Arbeitsweg). Unterwegs wird er von Schädiger S angefahren, der mit leicht überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Der Schaden wird aufgeteilt, da beide Beteiligten ein Mitverschulden zu tragen haben. A hätte sein Fahrrad mit Licht ausstatten und S sich an die Geschwindigkeit halten müssen. Dann hätte S den A eher gesehen und hätte ggf. noch ausweichen können.

Das Amtsgericht verteilt den Schaden bspw. nach einer 60:40-Quote, wobei S mit dem größeren Anteil haftet, da er sich die Betriebsgefahr seines Pkws zurechnen lassen muss. Da A die Arbeitsunfähigkeit zu 40 % mit verursacht hat, gehen auch nur 60 % auf den AG über. Demnach kann das Bauunternehmen sich 60 % der Lohnfortzahlung durch den S zurückerstatten lassen, die fehlenden 40 % müsste A tragen.

Ein nach § 6 Abs. 1 EFZG übergegangener Anspruch kann nur erfolgreich durchsetzt werden, wenn gem. § 286 ZPO nachgewiesen werden kann, dass es durch den Unfall zu einer Primärverletzung des ANs gekommen ist.

Mit der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht die tatsächliche Vermutung, dass der AN infolge einer Krankheit arbeitsunfähig ist. Sodann kann das Bauunternehmen (mit dem Beweis, dass der AN durch einen Dritten geschädigt wurde) den Forderungsübergang geltend machen. Das hat ggf. zur Folge, dass vorerst die Lohnfortzahlung zu leisten ist und sich dies später zurückgeholt werden kann.

Dabei kann das Bauunternehmen den Bruttolohn, AGanteile zur Sozialversicherung, vermögenswirksame Leistungen, anteilige Jahreszuwendungen, Gefahrenzulagen, Hinterbliebenenversorgung sowie Beiträge zur Altersvorsorge geltend machen.

Wie lange ein Ermittlungsverfahren und die Erstattung der Lohnfortzahlung dauern, hängt vom Einzelfall ab. Es gibt kein gesetzliches Zeitfenster.

Liegt das Verschulden bei einem Dritten, geht der Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens auf den AG über, sodass ein Regressanspruch gegen den Unfallverursacher/Schädiger in Höhe der Entgeltfortzahlung (Bruttolohn zzgl. AGanteil zur Sozialversicherung) auf Basis von § 4 EFZG geltend gemacht werden kann.

Dem AN steht kein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zu, da dieser nach § 6 EFZG übergegangen ist. Weitere Ansprüche, wie bspw. Schmerzensgeld, bleiben bestehen.

Deshalb sollte ein Bauunternehmen bei jeder Krankmeldung die Frage stellen, wer die Arbeitsunfähigkeit verursacht hat, um ggf. Regressansprüche geltend machen zu können. Ist für den AN ersichtlich, dass der Verursacher seiner Arbeitsunfähigkeit ein Dritter ist, muss dieser seinem AG die erforderlichen Informationen unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) bereitstellen (§ 6 Abs. 2 EFZG).

Der AG muss die Möglichkeit erhalten, den Forderungsübergang sowie den Ersatzanspruch zu prüfen. Informationen, wie Datum und Uhrzeit des Vorfalls, Name, Anschrift und Telefonnummer des Schädigers, der Zeugen und Beteiligten, Ansprechpartner und Ermittlungsergebnisse der zuständigen Polizei, mögliches Autokennzeichen sowie Versicherungsdaten des Schädigers muss der AN bereitstellen. Sollte der AN diese Informationen willentlich nicht weiterleiten,
kann die Lohnfortzahlung verweigert werden (allgemeines Leistungsverweigerungsrecht; § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG).

Der Forderungsübergang bei Dritthaftung nach § 6 EFZG gilt auch, wenn dem Verunfallten für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bezahlter Urlaub gewährt wird. Der Schädiger muss folglich auch den auf diesen Zeitraum anfallenden Teil des Urlaubsentgelts ersetzen (BGH, Urt. v. 13.08.2013, Az. VI ZR 389/12). Der Anspruchsübergang gilt nur für die angeführten 6 Wochen, also die Zeit, in der die Lohnfortzahlung erfolgt, und nicht dar über hinaus.

Deckt der Schadensersatzanspruch die Lohnfortzahlung des Geschädigten nicht ab, weil ggf. eine Haftungsbeschränkung des Schädigers gilt (z. B. § 12 StVG), muss das Bauunternehmen den restlichen Schaden begleichen (Vorrang des Schadensausgleichs des ANs vor AG).

Der Autor

Thomas Schneider ist Diplom-Kaufmann und Mitverfasser des Buches: Berufliche Perspektiven im Rentenalter.

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